Das Theater Bremen, so war es vor einigen Tagen im Weser-Kurier zu lesen, sei nicht in Gefahr. Im Gegenteil: alles laufe bestens, seit der alte Intendant, Hans-Joachim Frey, das Schiff, das er zuvor zum Sinken gebracht hatte, verlassen habe. So behauptet vom neuen, fünfköpfige Spartenleiter-Team, das inzwischen die Geschäfte übernommen hat. Mehr noch: Ein Theater ohne Intendant würde direkter, schneller, praxisorientierter funktionieren. Schließlich bräuchte man keine Rücksicht auf eine aufgesetzte Entscheidungsebene zu nehmen, oder auf jemanden, der über allem schwebe. Das hört sich zunächst einmal vernünftig an, ein bisschen basisdemokratisch und nach einer neuen, unbürokratischen Struktur - kurzum: nach jener Freiheit, in der Kunst besonders gut gedeihen kann. Aber hält die Wirklichkeit diesem strukturellen Idealismus tatsächlich stand?
Fakt ist: am Theater Bremen wird gespart - und das schon seit Jahren. Während andere krisengeschüttelte Städte in die Kultur investieren, um die Attraktivität der Region zu stärken und ein positives Image nach außen aufzubauen, hat die Bremer Politik einen radilaken Abbau von Subventionen beschlossen. Argumentiert wird mit Freys Musical-Desaster, aber die Wahrheit ist: schon vor Freys Amtsantritt wurde ein Sparetat beschlossen. Dessen Vorgänger, Klaus Pierwoß, hat noch regelmäßig mit seinem Rücktritt gedroht, wenn das Theater am Goetheplatz Opfer weiterer Sparmaßnahmen werden sollte. Das war den Politikern zu viel Kampf - statt für einen Haudegen haben sie sich für einen Manager entschieden, der nicht meckert, sondern versucht aus weniger Geld mehr Theater zu machen. Dieses windige Versprechen hat Hans-Joachim Frey vor seinem Amtsantritt gemacht. Man müsse nur Sponsoren finden, erklärte er und das bürgerliche Engagement stärken. Zugegeben, das hört sich für eine klamme Stadt verlockend an. Doch das Ergebnis ist bekannt: ein Image- und Finanz-Fiasko für das Theater Bremen. Frey hat dem Haus saftige Schulden hinterlassen, die das neue Team nun tilgen muss. Ob der Etat für den neuen Intendanten, Michael Bögerding, dann aufgestockt wird, wenn er 2012 kommt, steht in den Sternen. Und - das ist die Crux - es hängt wohl auch davon ab, wie das Übrgangsteam das Haus bis zu seinem offiziellen Amtsantritt bestellt.
Fakt ist: am Theater Bremen wird gespart - und das schon seit Jahren. Während andere krisengeschüttelte Städte in die Kultur investieren, um die Attraktivität der Region zu stärken und ein positives Image nach außen aufzubauen, hat die Bremer Politik einen radilaken Abbau von Subventionen beschlossen. Argumentiert wird mit Freys Musical-Desaster, aber die Wahrheit ist: schon vor Freys Amtsantritt wurde ein Sparetat beschlossen. Dessen Vorgänger, Klaus Pierwoß, hat noch regelmäßig mit seinem Rücktritt gedroht, wenn das Theater am Goetheplatz Opfer weiterer Sparmaßnahmen werden sollte. Das war den Politikern zu viel Kampf - statt für einen Haudegen haben sie sich für einen Manager entschieden, der nicht meckert, sondern versucht aus weniger Geld mehr Theater zu machen. Dieses windige Versprechen hat Hans-Joachim Frey vor seinem Amtsantritt gemacht. Man müsse nur Sponsoren finden, erklärte er und das bürgerliche Engagement stärken. Zugegeben, das hört sich für eine klamme Stadt verlockend an. Doch das Ergebnis ist bekannt: ein Image- und Finanz-Fiasko für das Theater Bremen. Frey hat dem Haus saftige Schulden hinterlassen, die das neue Team nun tilgen muss. Ob der Etat für den neuen Intendanten, Michael Bögerding, dann aufgestockt wird, wenn er 2012 kommt, steht in den Sternen. Und - das ist die Crux - es hängt wohl auch davon ab, wie das Übrgangsteam das Haus bis zu seinem offiziellen Amtsantritt bestellt.
Die neue Führungsriege versucht sich von ihrem Vorgänger abzusetzen. Nur in einem macht sie weiter wie Frey: sie redet sich, den Bremern und den Politikern ein, dass Theater auch ohne viel Geld funktioniert. Statt über den Etat zu meckern, geben sich die fünf Theaterfreunde mit der aktuellen finanzielle Ausstattung des Hauses zufrieden. Sie mache einen Spielbetrieb durchaus möglich, sagt Hans-Georg Wegner, „das beweist unsere laufende Spielzeit“ Und er merkt an: „Das Publikum muss auf nichts verzichten, außerdem haben wir einen ausgeglichenen Haushalt.“
Ein bisschen hören sich diese Worte an, als sei es der Sinn eines städtischen Theaters, möglichst viel Programm anzubieten und - noch wichtiger - den Haushalt auszugleichen. Mit anderen Worten: die Qualität eines Hauses hat sich nach dem zur Verfügung stehenden Etat zu richten - und die Intendanz sich damit zufrieden zu geben. Dass die Abo-Kunden ihre Dauertickets auch in Bremen stornieren, dass die erwartete Auslastung nicht erreicht wird, und - vor allen Dingen - dass das Theater Bremen im überregionalen Vergleich so gut wie keine Rolle mehr spielt, scheint für die Theaterleitung derzeit eher unwichtig zu sein. Hauptsache, die Politik ist zufrieden. Doch genau das ist ein Trugschluss! Denn ein Stadttheater ist kein Off-Theater. Seine Rolle ist es auch, mit Subventionen das Image der Stadt zu mehren.
Eine Stadt subventioniert ein Theater, anders als ein Musicalhaus oder Pop-Konzerte, nicht deshalb, damit es haushält. Ein Theater wird subventioniert, um den Geist einer Stadt zu prägen, um die Bürger aufzurütteln, um Debatten anzustoßen. Es bekommt die finanziellen Möglichkeiten, um einen ansonsten nicht geführten Diskurs in der Stadt anzukurbeln, und deshalb, weil bei einem Theater von Anfang an klar ist, dass es Freiräume braucht, die sich aus den Eintrittspreisen nicht refinanzieren lassen. Mit anderen Worten: Subventionen für Theater sind Subventionen, um das ansonsten Unmögliche möglich zu machen. Und genau dieser Eindruck entsteht derzeit im Theater Bremen nicht. Die öffentlichen Zuwendungen sind gerade so bemessen, dass ein Spielbetrieb aufrecht erhalten werden kann. Nicht, um zu experimentieren, nicht, um Wagnisse einzugehen, und erst Recht nicht, um den Mut aufzubringen, auch mal eine Aufführung in den Sand zu setzen. Aber genau dieses Risiko ist notwendig, wenn eine Stadt ein Theater finanziert! Und es wäre notwendig, dass die Theaterleitung genau das in die Debatte bringt, statt sich zu freuen, eine Führungsposition zu bekommen, auch, die unter miserablen Bedingungen zu arbeiten hat. Hätten die derzeitigen Theaterleiter wirklich von Freys Fehlern gelernt, würden sie Bremen vor die Frage stellen: Wie viel ist der Stadt das Theater wert!
Denn es ist doch klar, nur, wenn ein mutiges Theater subventioniert wird, kann es sowohl nach innen als auch nach außen strahlen. Nur, wenn in ambitionierte, und nicht in verwaltende Kultur investiert wird, besteht die Möglichkeit, dass ein Theater die Attraktivität der Stadt steigert. Nur dann kann es großen Firmen helfen, qualifizierte Arbeitskräfte anzulocken, weil es ein attraktives, kulturelles Umfeld schafft. Nur dann kann es Publikum und Kritiker aus ganz Deutschland anlocken, um über die sogenannte Umwegrentabilität - durch Auslastungen in Restaurants und Hotels - der Stadt zu helfen, Steuern einzunehmen. Städte wie Baden-Baden, aber auch mit Bremen vergleichbare Metropolen das Ruhrgebiet, haben diesen Mechanismus längst begriffen: statt die Kultur an die Grenzen der Existenz zu sparen, haben sie geklotzt und mit den Subventionen für Theater und Bühnen ihr Image aufpoliert. In Bremen ist das anders: unser Theater vegetiert dahin, es stört nicht, es rüttelt nicht auf, aber es ist auch kein Muss. Und so tritt auch die neue Fünfer-Intandanz auf: keine Forderung, keine künstlerische Extravaganz - alles wird irgendwie im Lot gehalten. Nicht mehr und nicht weniger. Und plötzlich wird eben doch deutlich, dass ein Intendant fehlt, der genau diese Aufgabe übernimmt.
Klaus Pierwoß war - mit Verlaub - der letzte, der genau das geschafft hat. Das Theater Bremen hatte eine Außenwirkung, aber - viel wichtiger noch - es war auch für die Bremer identifikationsstiftend. Und zwar nicht nur als Ort des Bürgertums, sondern als streitbares Medium, als kontroverse Institution, als Diskursraum über das, was Kultur in Bremen soll. Pierwoß hat sich mit Otto Rehagel verbündet, sein Segelschiff bis nach Berlin gefahren und in seiner Kneipe Gäste empfangen. Er war qua Amt ein moralisches Gewicht der Stadt. Und genau das ist, was dem derzeitigen Führungsquintett fehlt.
Dabei wäre gerade nach der Ära von Hans-Joachim Frey eine starke Theaterführung wichtig gewesen. An der Spitze des Hauses, das derzeit totgespart wird, hätte ein Sprachrohr stehen müssen, jemand, der nichts zu verlieren hat - der Bremen Inspiration schenken könnte. Der die Stadt vor die Wahl stellen kann: entweder das Theater ist Euch etwas wert, oder nicht. Einer, der die staatlichen Subventionen für Kultur zum Wahlkampfthema erhoben hätte, der dafür gestritten hätte, dass das Traditionshaus nicht in die Belanglosigkeit abrutscht.
Stattdessen lobt das neue Führungsquintett nun sogar die Weitsicht der Bremer Kulturpolitik und behauptet, dass es klug sei, den neuen Intendanten erst für 2012 zu bestellen. Das ist natürlich Quatsch! Denn gerade nach dem Imageschaden, den Frey angerichtet hat, wäre es für das Haus wichtig gewesen, sofort jemanden zu haben, der nicht nur intern einen anderen Kurs einschlägt, sondern auch nach außen. Jemanden, der sich etwas traut! Einen Intendanten, der nicht zufrieden mit Sparmaßnahmen ist, sondern einen, der für die vernünftige Ausstattung eines Vierspartenhauses streitet.
Dass die Bremer Kulturpolitik diesen Mann nicht benannt hat, ist ein Signal, wohin sie sich das Theater wünscht: Statt die Konfrontation und die Grätchenfrage zu provozieren, ob Bremen ein Theater haben will, lässt man das Haus vor sich hindümpeln. Und gerade damit werden schon jetzt die Grundlagen für den nächsten Argumentationsschritt gelegt: Wenn das Theater Bremen keine Akzeptanz in der Bevölkerung hat und keine überregionale Ausstrahlung, warum sollte man dann nicht weiter sparen. Oder es sich überhaupt leisten?
Es wäre die Aufgabe der derzeitigen Theaterführung, dieses Szenario wenigstens zu thematisieren. Zumal der derzeitige Spielplan nicht darauf schließen lässt, dass Bremen mit seinen amtsführenden Spartenleitern derzeit einen Impuls für den Diskurs der Stadt liefert, geschweige denn überregional ausstrahlt. Es ist durchaus ehrenwehrt, dass die neue Theaterleitung sich wieder auf das Ensemble konzentriert und versucht, den Teamgeist von Schauspielern und Sängern zu stärken und die Gleichheit der einzelnen Sparten zu behaupten - aber all das ist weitgehend sinnlos, wenn die künstlerischen Erfolge ausbleiben. Es reicht eben nicht, dass die Sopranistin des Hauses den Volksbühnenpreis gewinnt. Im Angesicht der Bremer Theatertradition ist das geradezu lächerlich. Ein Haus wie Bremen darf sich nicht auf diesen eher provinziellen Erfolgen ausruhen, es darf sich nicht freuen, dass es überhaupt noch existiert. Es muss der Kulturpolitik den Kampf ansagen und das geistige Leben der Stadt beflügeln. Es muss mehr Mut wagen!
Derzeit sieht es nicht so aus, als würde das Theater Bremen in naher Zukunft wieder Anlaufstelle für große Künstler werden. Im Gegenteil: ein Großteil des Ensembles bereitet seinen Absprung vor - unter ihm auch die fünfköpfige Führungsriege, die kaum von Michael Bögerding übernommen werden wird. Und selbst wenn das Intendantenquintett die Zusammenarbeit mit Generalmusikdirektor Markus Poschner lobt, ändert das nichts an der Tatsache, dass sich in Musikerkreisen das Gerücht verbreitet: Poschner will Bremen verlassen. Die Philharmoniker bestätigen das nicht, kämpfen hinter den Kulissen um ihren GMD, weil sie wissen, dass er derzeit der einzige Charismatiker im Ensemble ist. Aber Poschner selbst wird sich seine Vertragsverlängerung zwei Mal überlegen. Aus Berlin und anderen Städten ist er andere Rahmenbedingungen gewohnt, kann seine eigenen, ambitionierten Konzepte und Ideen ohne ewige Spar-Drohungen umsetzen. Und es wird nur eine Frage der Zeit sein, wann die letzte schillernde Figur die Theaterszene verlässt, die sich den Ensemblegeist und die Gleichheit aller ans Revers heftet.
Die Gefahr dieser und der kommenden Spielzeit ist, dass das Theater sich darauf konzentriert, sich selbst zu finden. Das ist zwar ein wichtiger Prozess, für den aber die Zeit fehlt. Das Theater Bremen leidet nach Hans-Joachim Frey an einem gewaltigen Imageverlust - sowohl in als auch außerhalb Bremens. Da reicht es nicht, sich auf die Schultern zu klopfen und sich mit dem Mittelmaß zufrieden zu geben. Aufbruch ist nötig, Mut - und im Zweifel auch Protest gegen den politischen Umgang mit dem Haus.
Das derzeitige Führungsgremium, das seine Arbeit durchaus solide erledigt, muss kämpfen - für sich selbst, aber auch für das Theater und für Bremen. Es sollte lernen, die Kampfzone der Bühne in die Stadt zu verlegen, in die Politik in den öffentlichen Diskurs. Es bleibt nur wenig Zeit, das Profil des Hauses zu schärfen - und das Intendanten-Quintett hat vielleicht als letztes die Chance, das Haus zu retten, bevor der neue Intendant kommt. Das sind sie sich, dem Ensemble und Bremen schuldig.
AXEL BRÜGGEMANN
AXEL BRÜGGEMANN
O, ein alter Text wird recycelt, inklusive seiner Fehler.
AntwortenLöschenDer GMD, der Bremen angeblich verlassen will,hat vor einigen Monaten seinen Vertrag verlängert.
Stimmt - aber leider stimmt auch die Analyse ... das Bremer Theater ist orientierungslos. Ihm geht es ähnlich wie dem Musikfest - und es ist eine Frage von inhaltlicher Ausrichtung und politischem Wollen, ob Bremen langfristig sein Haus behält.
AntwortenLöschenVermutlich ist die inhaltliche Ausrichtung für das Überleben des Theaters sekundär. Ob man für die überregionale Presse oder das heimische Publikum spielt, ist weniger wichtig als die Tatsache, dass die Politik nicht wirklich hinter dem Theater steht und im Normalfall keine Ahnung vom Betrieb hat. Ob man Pierwoß-, Frey- oder 5-Kopf-Theater bevorzugt (es gab auch unter den 5 tolle Produktionen): ziemlich egal. Wenn Politik und Öffentlichkeit nicht gewonnen werden, dann wird das Theater irgendwann sterben.
AntwortenLöschenAm wichtigsten scheint mir in Brüggemanns Text: "Ein Theater wird subventioniert, um den Geist einer Stadt zu prägen, um die Bürger aufzurütteln, um Debatten anzustoßen."
AntwortenLöschenAll war bislang nicht der Fall. Schade! Das beste Stück der letzten Spielzeit war Perpetuum mobile - vom Tanztheater, das immer wieder wegdiskutiert werden soll. Ohne Tanztheater wäre das momentane Theater, als gebe es kein Theater.
Wieso ist es "eine Frage von inhaltlicher Ausrichtung und politischem Wollen, ob Bremen langfristig sein Haus behält"?
AntwortenLöschenDas ist zunächst einmal eine Frage von Qualität, Relevanz und Zeitgemäßheit. (Dazu hat Axel Brüggemann früher schon Grundsätzlicheres geschrieben; vielleicht könnt Ihr das hier noch verlinken.)
Ich habe noch keine "Politik" kennengelernt, die "ein Haus" (und seine Mitarbeiter und Produkte) "will" oder gar "nicht will". Anliegen, Auftrag und Notwendigkeit, Anspruch und Notwendigkeit von "Häusern" und Institutionen müssen die schon selbst formulieren, überprüfen und in Wirklichkeit und Produktion einlösen. Damit sind "Politik und Öffentlichkeit" zu gewinnen.
http://cwergenwelt.wordpress.com/2010/08/20/grunden-spielen-zeigen-streiten-neue-aufgaben-fur-eine-zeitgemase-kulturpolitik/
Lieber Carsten Werner,
AntwortenLöschenja - ich denke auch: Es geht darum, eine Stadt aufzurütteln. Der aktuelle "Tannhäuser" hat das durchaus selbstironisch versucht - auch wenn es im logischen Gebälk wackelte. Aber das ist durchaus ein Weg. Nun ist die Frage, ob Politik sich mit dieser Ästhetik überhaupt beschäftigt, oder die Kultur als gewollten und erwarteten Skandal abnickt...
Axel Brüggemann