Von heute an werden wir eine neue Rubrik einführen: Weser-Leaks. Der Grund ist simpel: Der Weser-Kurier ist eine Monopol-Zeitung. Es gibt kaum eine Öffentlichkeit, die dieses Blatt beobachtet. Genau darum geht es in Weser-Leaks – eine tägliche Blattkritik und Kommentare zu den Artikeln. Natürlich sind Sie aufgefordert, mit zu diskutieren. Heute diskutieren wir die neue Ausrichtung des Weser-Kuriers und ein gelungenes Interview mit Renate Jürgens-Pieper .
Was ist eigentlich mit dem Weser-Kurier los? Seit Silke Hellwig das Blatt übernommen hat, scheint es orientierungslos vor sich hin zu dümpeln. Besonders auffällig ist die Beliebigkeit der Themen und die Hilflosigkeit der Aufmachung. Unter Lars Haider hatte der Weser-Kurier eine Richtung, über die sich streiten ließ – mehr Service, mehr Analyse, mehr Bremen. Heute scheint die Chefredaktion ohne Vision zu arbeiten. Nicht zu wissen, wozu eine Lokalzeitung dienen kann. Und teilweise erinnert der im letzten Jahr noch deutschlandweit ausgezeichnete Weser-Kurier an hilflose Schülerzeitung. Besonders offensichtlich wird das in den Titeln des Weser-Kurier.
Hellwig scheint magazinig werden zu wollen. Nur: Das gelingt ihr kaum. Sie setzt willkürlich auf große Bilder, auf mit Photoshop bearbeitete Collagen und dann wieder auf 0/8/15-Aufmacher.
Hier eine Auswahl der drei schlechtesten Titel der letzen Wochen.
In der heutigen Ausgabe finden wir dann ein längst überfälliges Interview mit Bremens Bildungssenatorin Renate Jürgens-Pieper. Wir erinnern uns: Nach einem Text über ihre verfehlte Schulpolitik vor einen Viertel Jahr hat die Senatorin den damaligen Autoren zu sich zitiert, versucht, sich zu legitimieren, und – als das Ergebnis bei einer Meinungsdifferenz blieb – den ehemaligen Chefredakteur zitiert. Der hat, in vorauseilendem Gehorsam, den Journalisten angemahnt und fortan eine weitgehend freundliche Berichterstattung über die Senatorin veranlasst.
Der Weser-Kurier wurde durch die Kraftmeierei der Senatorin auf Linie gebracht. Kritik an ihrer Arbeit war hauptsächlich in Leserbriefen zu lesen, während die Redaktion ihr noch Platz für Werbung in eigener Sache einräumte, als sie ihr neues Buch auf einer Seite – vollkommen ohne kritische Fragen – vorstellen durfte.
Um so erfrischender ist es, dass WK-Journalist Matthias Lüdecke diesen Bann in der heutigen Ausgabe bricht und Jürgens-Pieper ins Kreuzverhör nimmt.
Anlass sind die Schüler-Proteste gegen die Bildungspolitik. Und Lüdecke stellt eine wunderschöne rhetorische Frage, mit der Jürgens-Pieper ihre jahrelange Ignoranz gegenüber der realen Schulpolitik in Bremen offenbart.
Der Journalist stellt fest: „Aber den Kampf haben Sie – aus Sicht der Schüler verloren...“. Die Senatorin antwortet trotzig: „Ich habe nicht verloren. Ich habe die Bildungspolitik als Schwerpunkt durchgesetzt. Wenn die Schüler das anders sehen, dann verkennen sie die schwierige Haushaltslage.“
Es wäre wünschenswert, wenn der WK seiner neuen Linie treu bleiben würde. Das heutige Interview kam viel zu spät – Jürgens-Pieper ist noch immer Bildungssenatorin, auch, weil der WK vor der Wahl beschlossen hat, die von Eltern und Lehrern kritisierte Lage nicht aufzugreifen. Er hat sich von der Senatorin einschüchtern lassen.
Heute scheint das Blatt endlich mal wieder Position für seine Leser zu beziehen – und in ihrem Sinne zu fragen. Mit ihren Antworten erledigt Jürgens Pieper den Rest von allein. (ab)
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